Konzerne wie Microsoft wollen ihre CO2-Emissionen kompensieren, indem sie Baumanpflanzungen finanzieren, die Kohlenstoff binden sollen. Sie kaufen dazu sogenannte Kohlenstoff-Kredite (carbon credits), die Projektentwickler oder Projekt-Zertifizierer wie Verra und Goldstandard auf den Markt bringen. Die NGO GRAIN hat die Register durchforstet, in denen diese großen freiwilligen Kompensationsprojekte aufgelistet sind – insgesamt 279 –, und dort Belege für eine neue Welle des Landraubs im Süden gefunden. Sie hat dazu auch eine Datenbank angelegt; Projekte, die bestehende Wälder schützen, sind nicht berücksichtigt.
Die Auswertung ist sehr aufschlussreich. Nach Zahl der Projekte liegt rund die Hälfte in nur vier Ländern: China und Indien – nur die entwickeln die Projekte auch selbst – sowie Kolumbien und Brasilien. Aber von den insgesamt betroffenen Flächen lägen fast 60 Prozent in Afrika. Und es gibt GRAIN zufolge zwei unterschiedliche Arten dieser Kompensationsprojekte: Für große Plantagen schnell wachsender Bäume oder von Bambus würden oft Savannenflächen oder früheres Weideland komplett in Besitz genommen. Oder aber Kleinbauern verpflichteten sich, auf ihrem Nutzland Bäume zu pflanzen und mindestens zwanzig Jahre nicht anzutasten. Sie behalten dann ihr Land, können es aber nur noch eingeschränkt nutzen – GRAIN führt Beispiele an, wonach das die betroffenen Familien ruiniert hat.
Die Grundsatzfrage, ob es überhaupt naturwissenschaftlich haltbar ist, in Bäumen gebundenen Kohlenstoff als Ausgleich für Emissionen zu betrachten, wird nicht thematisiert. Die Studie betont, dass hier – außer im Fall Indiens und Chinas – Konzerne aus dem Norden mit hohem CO2-Ausstoß Landflächen in Staaten mit niedrigen Emissionen unter Kontrolle bringen, damit sie weiter verschmutzen können. Auch die neue Industrie der Projektentwickler und Zertifizierer sitze im Norden und werde reich. Für GRAIN ein klarer Fall von grünem Kolonialismus.
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